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August - Der Abschied naht

 

Das Wetter im August hat sich perfekt meiner Laune angepasst: Ein überraschender Herbsteinbruch mit Kältewelle und natürlich ganz viel Regen – so inetwa war auch mein mood anfang des Monats. Zurück von Malev mit nem großen Schlafmangel im Gepäck, einem Freund weniger in Estland und der eigene Abschied auch vor Augen, - das hebt nicht gerade die Stimmung. Dementsprechend war ich relativ faul, habe Binge-Watching betrieben und mich vom Internet berieseln lassen. In der Freizeit ging das ja ganz gut, aber in der Arbeit war ich sogar ziemlich gefordert…

 

Für mich hieß es „zurück nach Tsirgu“ und „Balkonprojekt beenden“, dabei wurde ich gewaltig überrascht. Ich hatte mir ja wiedermal gähnende Leere im Jugendcenter erwartet, va da laut Elina die Sommerferien normalerweise eher wenig Besucher anlocken. Tja, diesen August war das komplette Gegenteil der Fall: So viele Kinder waren das ganze Jahr nicht da, es gab einen Höllenlärm, aber ich war irgendwie auch total glücklich, dass der Mythos vom „Full House“ doch nicht nur eine Überteibung von Elina war. Das Beste für mich war, dass erstaunlich viele Youngsters auch Lust hatten, mit mir abzuhängen und ich jetzt anscheinend cool geworden war :O Vielleicht liegts an den Haaren? Liisa, ein Mädchen, das Anfang des Winters ab und zu da war, aber immer zu schüchtern war um mit mir zu reden, umarmte mich jetzt jedesmal zur Begrüßung und auch Maribel und Carola waren wieder motiviert, mit mir zu basteln und tratschen. Honestly, ich wünschte, es wäre das ganze Jahr schon so gewesen, aber ich bin froh, dieses Spektakel zumindest einen Monat erlebt haben zu dürfen… Nebenbei musste ich mich um nervigere Dinge kümmern, aka die Organisation des Balkonprojekts. So grundsätzlich war ja schon alles geplant, aber ich musste einkaufen gehen, mich um den Transport der Möbel nach Tsirgu kümmern, mich mit gecancelleden Bestellungen herumschlagen und auch noch den plötzlichen Wetterumschwung in die Pflanz- und Aufbauplanung miteinrechnen.  Zum Glück waren mir Vallo, Dea und va Matvii eine große Hilfe, ohne ihn wäre der ganze Aufbau viel langsamer von statten gegangen. Einerseits war ich genervt und gestresst von dem Projekt, da nicht alles ganz nach Plan gelaufen ist (wir konnten einige Dinge nicht kaufen oder bauen), andererseits hätte ich mir nie vorstellen können, dass mal tatsächlich genug Kinder auftauchen, die mir helfen wollten… Gemeinsam haben wir also weitere Paletten geschliffen und bemalt, Blumen gepflanzt, Beete aufgebaut, Stöcke fürs Füllen dieser gesammelt, Steine als Beschriftung bemalt und am Schluss auch ein paar Fotos zur Einweihung gemacht. Ich muss sagen, dass der Balkon jetzt wirklich ganz nett ausschaut 😊 (zumindest besser als vorher lol). Wir haben ein Palettensofa, ein Hochbeet, einen vertical garden für Kräuter, zwei Mülltonnen, Blumenkisten, Solarlichter, einen Apfelbaum und der Tisch + Stühle, die Ronja (vorherige Freiwillige) im Zuge ihres Projekts gekauft hat, draußen stehen. Hätte nicht gedacht, dass mein Projekt so cool wird : D Ich bin echt sooo froh, dass zumindest irgendwas von mir „zurückgelassen“ wird, weil ich hatte echt ein dermaßen schlechtes Gewissen, als Rasmus von den tollen Projekten der vorherigen Volunteers erzählt hat und ich das ganze Jahr eigentlich fast nix gemacht hab lol.

 

Während dieser ganzen Baustelle gab es noch eine andere Änderung im Jugendcenter, die nicht unbedeutend für mich war: Elina ist in Mutterschutz gegangen (Ja, sie ist schwanger, falls ich vergessen hab, das zu erwähnen, lol) und für die letzten zwei Wochen meines Services habe ich einen neuen Tutor bekommen: Mihkel. Er ist der Bruder von Siret (Matviis Tutorin) und echt ein chilliger Typ. Wäre sicher witzig gewesen, länger mit ihm zu arbeiten, aber wie schon erwähnt, war der August ja mein letzter Monat hier in Estland :‘(

 

Was ist sonst noch passiert?

 

Meinen Youthpass habe ich endlich fertig bekommen, mein geliebtes Swedbank-Konto wurde auch geschlossen und meine Essensvorräte reduzierten sich auch langsam. Flug wurde gebucht.

 

 

 

Außerdem hatte ich einen Haufen überschüssiger Urlaubstage, von denen ich eine Woche eingelöst hab,- dazu gibt’s aber einen eigenen Eintrag. Weiters gabs im August noch ein paar Parties zu feiern und ein paar Sachen von meiner 100 things-To-Do-List abzuhaken, die ich am Anfang meines Aufenthalts schreiben musste…

 

Eines meiner Ziele war es, eine zweitägige Wanderung durch den Karula-Nationalpark, der sich so nahe und doch so fern von Valga befindet, zu machen. Mir kam es ganz gelegen, das Clara mich aus Viljandi besuchen kam und sie auch gerne zu Fuß unterwegs ist. So setzten wir uns in den Bus nach Rebasemöisa und wollten dort eine kleine Route gehen. Den ganzen, ca 36 km langen Weg hatte ich aufgegeben, nachdem das Wetter eher nicht für langes Verweilen an der frischen Luft geeignet war. Auch während unserem kurzen Trip wurden wir von strömendem Regen überrascht und von Moskitos attackiert, sonst war der Weg aber ganz nett. Die Öffi-Verbindungen eher nicht so, aber zum Glück ist unser Bus dann doch noch gekommen und wir haben bei mir zuhause noch gekocht und gechillt. Am nächsten Tag habe ich meinem Gast Valga und Valka gezeigt und dabei selbst paar neue Dinge gefunden (irgendein Museum, lol)

 

Zwei Wochen drauf gab es was zu feiern: Dasha hatte Mylene, Matvii und mich nach Hargla eingeladen, um ihren Geburtstag nachzufeiern, der eigentlich im Winter war. Die Party stand unter dem Motto „Spanien“ und es gab Tapas, Guacamole, Paella und natürlich Sangria. Die armen Nachbarn wurden von spanischer Musik und unserem Karaoke-Gejaule beschallt und Mitternachts haben wir, leicht angeheitert, auch noch Churros gekocht lol. Ein mega nicer Abend. Am Samstag gings dann heim und abends nochmals auf Achse, denn zwei, derzeit bei Youngsters sehr populäre Bands hatten ihr Konzert in Valga, zu dem Mylene und ich hingegangen sind. Es war sau cool, ich kannte zumindest von der ersten Gruppe (5miinust) fast alle Lieder, weil ich auf Malev immer damit zugedröhnt wurde. Die zweite Band (Smilers) war auch ganz cool, ich hab auch einige Leute von den Sommercamps dort wieder getroffen und mich eigentlich ganz gut integriert gefühlt xD  Später haben wir zuhause mit Matvii noch über unser Volunteer-dasein reflektiert und natürlich weiter getrunken :D  Am nächsten Tag wollte ich eigentlich zu einem Food-Festival am Peipus-See, aber leider war das mit den Öffis kaum möglich und ich war eh ein bisschen faul, also konnte ich den Rückschlag verkraften ; ) Man muss sich ja auch ein paar Sachen aufbehalten, wegen denen man wiederkommen will xD

 

Zwei Tage später war es dann soweit: Der nächste Abschied. Das Gründungsmitglied der Valga Gang musste zurück nach Belgien. Zu diesem Anlass waren wir sogar Essen! Zum ersten Mal waren wir in der populären Conspirator Baar (war ganz ok), ehe zuhause weitergefeiert wurde. Am nächsten Tag verließ Mylene Valga. Jetzt warens nur noch 3.

 

Oh well, life goes on und da ich noch einen letzten Ehrgeiz entwickelt hatte, meine To-Do-List abzuarbeiten, konnte ich Mihkel dazu überreden, mir bei meinem Tankla- Miniprojekt zu helfen. Ja, noch ein Projekt. Jeder Volunteer von Tankla sollte mit deren Geld etwas kleines oder großes organisieren und auf den letzten Drücker wollte ich nun diese Gelegenheit nutzen und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Auf meiner To-Do List war ein Punkt, den ich schon lange gerne erledigt hätte: Ein Besuch im Sooma National Park. Am liebsten wäre ich dort gerne Kanufahren gegangen (war sogar vorm Lockdown geplant), aber der Einfachkeit halber wurde es „nur“ ein Hiking trip mit meinen Youngsters, der an meinem Vorvorletzen Arbeitstag stattfand. Zum Glück war die Organisation diesmal leichter und der Ausflug ein Erfolg. Bis auf die Tatsache, dass ich zum ersten Mal eine andere vegetarische Jugendliche kennenlernen durfte, aber nur sau viel Grillfleisch eingekauft hatte, um mich dem Willen der anderen zu fügen. Tja, verhungert sind wir zwar nicht, aber ich sollte öfter auf mich selbst hören und meine Ideen durchsetzen… Naja, was solls.

 

An meinem letzten Wochenende gings dann nochmal rund: Packstress, Panik, Pilze, Party.

 

Nein, mit Pilzen meine ich keine Magic mushrooms, sondern „normale“ Schwammerl ausm Wald, die ich gesammelt habe. Ich durfte Maarja, ihre Mutter und ihre kleine Nichte, die mich auf Estnisch vollgelabert hat (eh süß), in den Wald begleiten um Pilze zu sammeln. Eigentlich wollte ich ja immer lernen, wie man Dinge einlegt und da das in Estland ja ziemlich beliebt ist, war die Überlegung, dass Maarja es mir beibringen könnte. Leider ging sich das zeitlich nicht mehr aus, doch stattdessen konnte ich sie bei ihrem Familienausflug in die Wildnis begleiten. Ich mein, zuhause gehe ich auch mit meiner Verwandtschaft Schwammerl suchen, aber mit meiner diesmaligen Begleitung wars ein komplett anderes Level: Wir waren an 3 verschiedenen Plätzen suchen und haben gefühlsmäßig jeden zweiten Pilz gepflückt, oder er wurde zumindest von Maarja als essbar identifiziert. Ich war echt erstaunt darüber, was alles nicht giftig ist :0  (Ein Pilz hat halt fast genauso ausgesehen wie ein Fliegenpilz lol) Neben diesen wunderbaren Eindrücken habe ich dann auch noch ein Glas eingelegter Pilze geschenkt bekommen : )

 

Als ich abends dann heimgekommen bin, hat schon die nächste Überraschung auf mich gewartet: Dasha ist mit einem Haufen Einkäufen zu uns gekommen und meine zwei Lieblingsukrainer haben angekündigt, mit mir gemeinsam Piroski (Piroggen) zu backen! Geil! Während der Hefeteig ging, haben wir natürlich angestoßen, außerdem ist Samuil auch noch vorbeigekommen und das ganze hat sich zu einer Mini-Party entwickelt. Um Mitternacht waren die Dinger dann endlich fertiggebacken und sau lecker zu essen. Väga hea.

 

Der Rest des Wochenendes war eher unlustig, denn ich habe versucht, meine tausend 2nd-Hand-Klamotten (eh schon ausgemistet, aber trotzdem nochimmer zu viele) (I couldn’t resist the 50cent-Sale lol) in den etwas zu kleinen Tramperrucksack zu stopfen, den mir meine Eltern im Tausch gegen meinen normalen Koffer mitgegeben haben. It was fun. (Ja, kann sein, dass ich dezente Panik hatte und mir dann extra Gewicht beim Handgepäck gekauft habe, obwohl eh nie jemand das Handgepäck wiegt) (good job Victoria)

 

Im Jugendcenter (Tsirgu) gabs außer Kuchen und österreichischen Sweets (die Kiddos lieben Mannerschnitten) jetzt nicht wirklich ne Abschiedsfeier (glaub die meisten ham nichtmal mitbekommen, dass ich geh lol), aber mein allerletzter Arbeitstag in Valga war nochmal ein ganz nices Erlebnis. Wir hatten am Vormittag ne Konferenz mit Kaffee und Torte, ich hab Abschiedsgeschenke bekommen und dann gings zum Hauptplatz. Am 31. War nämlich nicht nur mein letzter Arbeitstag, sondern auch der letzte Ferientag der meisten Kinder und deshalb hat das Jugendcenter einen „Tere kool päev“ („Hallo- Schule- Tag“) organisiert, bei dem wir alle mitgeholfen haben. Neben verschiedensten Stationen wie z.B. die Feuerwehr, die ein Auto aufgeschnitten hat, gab es auch einen Kinderschminkstand, bei dem ich dann irgendwie gelandet bin. Diesmal wurde sogar 1 € verlangt, damit der Ansturm nicht ganz so groß war, aber es gab dann trotzdem urviele „Kunden“ und ich war eh gut bedient. Netterweise hab ich dann sogar einen Teil des Gelds bekommen lol. Nebenbei ist auch noch was ur Süßes passiert: Hab Besuch von Maribel und Liisa bekommen, die sich noch von mir verabschiedet haben. Soo cute 😊 Am Ende des Tages sind auch noch Dasha, Rasmus und Ülla gekommen, wir haben gemeinsam Fotos gemacht und ich hab meinen Youthpass bekommen. Dann gab es einen, eher undramatischen Abschied (no tears lol) und wir sind heimgegangen. Zuhause hab ich dann noch ein Abschiedsgeschenk von Matvii und Dasha bekommen: Ein Fotobuch, gebastelt nur aus Müll ;D (mit kleinen Texten von verschiedensten Leuten und ukrainischen Rezepten drin) Ur lieb! Tja, und nach mitternächtlicher Gepäckspanik war dann mein letzter Tag in Estland vorüber.

 

Am nächsten Morgen ging es mit den Taschen zum Bahnhof, wo ich mich von meinem Mitbewohner verabschieden musste. Dann stand auch schon der Bus nach Riga bereit, von wo ich nachmittags den Flieger in die Heimat bestieg.

 

Nägemist Eesti! Auf ein baldiges Wiedersehen, neue, alte Heimat!

 

Danke für alles!

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Magret u. Friedemann (Sonntag, 10 Oktober 2021 11:59)

    Schöner Abschied nach deiner abenteuerlichen Zeit in .

  • #2

    Andrea (Montag, 11 Oktober 2021 12:23)

    Deine Berichte werden mir fehlen - Estland ist mir mittlerweile auch schon sehr ans Herz gewachsen.