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Die erste Woche - Heimquarantäne

Bevor ich hier beginne, über meine erste Woche in Estland zu erzählen, möchte ich mal mich selbst loben und mir sagen, dass ich super stolz auf mich bin. Trotz meiner nicht besonders ausgeprägten Flexibilität habe ich es geschafft, innerhalb von zwei Wochen von einem Projekt (Armenien), auf das ich mich schon recht gut vorbereitet und auch schon sehr gefreut habe, loszulassen (danke Bürgerkrieg- I mean, who would have expected that??) und sehr spontan ein neues Projekt zu finden, bei diesem auch angenommen zu werden, eine Hinreise zu organisieren (danke Mama!) und sogar noch im Oktober dort zu landen. *Insert Schulterklopfer* (Das war ein langer Satz, I know).

Eigentlich wäre ich am 6. Oktober nach Armenien geflogen, stattdessen hat meine Reise am 26. Oktober um ca 6 Uhr morgens am Flughafen Wien Schwechat begonnen. Nach einem recht kurzen Abschied von meinen Eltern ging es auch schon ab in den Flieger nach Amsterdam, von wo ich in ein Flugzeug der Baltic Air nach Tallinn umsteigen musste. Zum Glück hat alles problemlos geklappt (hatte schon Sorgen, das Gepäck zu verlieren) und ich bin am frühen Nachmittag in Estland gelandet. Dort hat mich auch schon Vallo erwartet, der mich zu meiner Wohnung fahren sollte, jedoch musste ich vorher einen Corona Test machen. Nach stundenlanger Warterei (ich übertreibe nicht) war ich dann endlich dran und das Stäbchen wurde mir fast ins Hirn gesteckt yeyy. Danach konnten wir endlich unsere 2-stündige Autofahrt nach Valga starten.

Vallo ist echt ein netter Kerl und er hat mir viel über Estland erzählt, jedoch hat er mir irgendwie vermittelt, dass ich derzeit die einzige Freiwillige im Bezirk Valga bin und ich vermutlich auch die ganze Zeit alleine leben werde. Da haben bei mir schon die Alarmglocken geklingelt, denn meine persönliche Vorraussetzung für das Projekt in Estland war es, nicht alleine zu wohnen und möglichst viele internationale Freunde zu finden. Und nun- Vici alleine im Wald? (Zur Anmerkung: Estland besteht zu mehr als 50 % aus Wald lol) . Diesen Gedanken konnte ich in meiner neuen Wohnung vorläufig verdrängen, denn nun standen Interesse an meinem neuen Zuhause und Hunger im Vordergrund. Zum Glück hatte Elina, meine Mentorin, schon im Vorhinein Lebensmittel für mich eingekauft und so fand ich zu meiner großen Freude eine Himbeer-Cremeschnitte im Kühlschrank, die meine Augen zum Leuchten bringen konnte. Glücklich vom Zucker gab es einen Update-Skypecall mit meinen Eltern, doch soviel sei gesagt, es würde nicht bei einem bleiben. Als der Zuckerrausch nämlich abgeklungen war, hatte ich mein erstes Down, als ich alleine in meiner neuen Wohnung war und mich sehr einsam fühlte. Zum Glück gibt es Skype und meine Eltern nahmen das "Ich will wieder nach Hause" mit Humor und munterten mich wieder auf. Seelisch beruhigt ging ich schlafen.

 

Am ersten Morgen in meinem Heim wurde gleich mal ein Großprojekt gestartet : Wohnungsputz. Zeit dafür hatte ich ja genug, denn ich musste in vollständiger Quarantäne bleiben, bis mein Testergebniss negativ ist. Zu allererst war die Küche dran, ich habe alle Schränke ausgewischt und das gesamte Geschirr abgewaschen. So ist der Tag vergangen und am Abend gab es wieder mal einen Skype - Anruf von meinen Eltern, der nun zur Tagesroutine hinzugefügt wurde.

Am zweiten Tag nahm ich mir mein Zimmer vor, wobei ich eine, anfangs etwas unangenehme Überraschung hatte. In einer Schublade unter meinem Bett befand sich massenweise Kleidung von meiner Vorgängerin, die aufgrund von Corona übereilt aufbrechen musste und daher viele ihrer Sachen zurückgelassen hatte, mit der Notiz, dass ich diese behalten oder einem Second-Hand Laden spenden könne. Ich hab sie erstmal aussortiert und ins Wohnzimmer / 2. Schlafzimmer gebracht. Beunruhigend war auch, dass ich mein Testergebnis noch immer nicht zugestellt bekommen habe, jedoch hat mir Elina versprochen, sich darum zu kümmern. Sie hat mir auch gleich ein paar Hausaufgaben gegeben, wie z.B. das Lernen von Spielregeln wie Ligretto und Bohnanza zu lernen, außerdem hat sie mir mitgeteilt, dass ich vermutlich doch einen Mitbewohner bekommen werde, jedoch erst in ca. einem Monat. Ob ich das toll finde, wird sich ja noch herausstellen, denn derzeit habe ich mich schon ganz gut an das Alleineleben gewöhnt. Einsam fühle ich mich eigentlich nicht, denn ich kann Geräusche von anderen Bewohnern des Wohnblocks hören und wenn ich Menschen sehen will, beobachte ich einfach die Kunden des Coop-Supermarkts, der vor meinem Haus steht und jeden Tag von 9 -22 Uhr offen hat (auch Sonntags!).

Der Donnerstag hat für mich ein besonderes Schmankerl geboten, denn es war Bad- bzw. Kloputz dran. Putzhandschuhe hatte ich keine- mmmh lecker... *würg*  Am Nachmittag habe ich dann endlich !  mein Testergebniss bekommen, und da es zum Glück negativ war, durfte ich am Abend zum ersten Mal raus shoppen. (Anmerkung: Ich bin nun quasi in einer Quarantäne "light", bei der ich für 7 Tage nur 1 mal pro Tag das Haus verlassen darf und das bevorzugt morgens oder abends, immer mit Maske natürlich) Es wurde der Coop angesteuert und ich habe mir dort neben Putzutensilien auch das, in Estland populäre Milchgetränk Kefir gekauft (gibts in Österreich etc auch, aber ist glaub ich nicht so bekannt).  Bei der Kassa konnte ich nur mit Karte bezahlen.

Freitags wollte ich den Boden putzen, jedoch war der Wischmob so dreckig, dass ich per Hand schrubben musste. Mein Highlight war eindeutig das Badezimmer bzw. Klo, denn da liegt so ein eigenartiger Kunststoffteppich über den Fliesen, unter dem ich (Scham?)haare gefunden hab. Hier möchte ich meine höchste Annerkennung an alle Putzfrauen - und Männer richten, die so etwas täglich machen müssen (und natürlich alle anderen Menschen, die dafür nicht mal bezahlt werden)! Ich weiß, ich bin sowieso empfindlich, aber wow, wie schafft man es bitte, jeden Tag ohne Würgereiz die ekligen Überbleibsel anderer Menschen wegzuputzen?? Diesen Leuten sollte mehr Ehre gebühren!

Naja, zumindest habe ich mir am Tag davor Putzhandschuhe gekauft, das hats erleichtert. Weiters war ich wieder shoppen (diesmal ein anderer Supermarkt) und habe ein bisschen die Gegend erkundet.

Am 31. Oktober bin ich früh aufgestanden und habe das schöne Herbstwetter für einen ausgedehnten Spaziergang am Fluss genutzt, bei dem auch ein paar (mehr oder weniger schöne) Fotos entstanden sind. Auch habe ich wieder einen anderen Supermarkt besucht und mir ein paar Kleinigkeiten besorgt, dann gings ab nach Hause, wo ich mithilfe von Video-Telefonie gemeinsam mit Mama zum ersten mal die Waschmaschine aktiviert und meine Putzfetzen gewaschen habe. Damit wurde der Wohnungsputz vorläufig für beendet erklärt. Mein Halloween habe ich im Bett verbracht, wo ich mit meinen Freunden geskyped habe, die sich betrunken haben #sad.

Gestern war ich wieder spazieren und habe mir den Ort ein wenig näher angesehen, Nachmittags habe ich mich meiner Buchhaltung gewidmet (#mylifeasagrownup oderso), meine Wäsche gewaschen (auch bissl was von dem Zeug unter meinem Bett) und dann ein paar Bastelideen für die Arbeit rausgesucht. Man merkt, mir geht langsam die Beschäftigung aus.

 

Heute ist schon wieder Montag und ich bin einfach schon eine Woche hier! Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viel über Putzen gelernt, danke Mama für deine Hilfe!! Weiters kann ich jetzt schon auf estnisch bis 10 zählen, wohoo! (die kleinen Dinge im Leben zählen ;-) Heute war außerdem mein zweiter Corona-Test und wenn der negativ ist, darf ich endlich aus der Quarantäne und arbeiten gehen. Das wird ein ganz neues Erlebnis! (von dem ich euch bestimmt berichten werde)

 

Hoffe, der Eintrag ist halbwegs interessant, auch wenn er ziemlich lang ist (sorry, es ist viel passiert). Ich gebe mein Bestes, euch up-to-date zu halten, mal schauen wie sichs ausgeht (I try my best).

Wenn ihr mehr sehen und wissen wollt, dann folgt mir doch auf Instagram @vicigoesestonia !

 

Nägemist!

 

PS: Sorry für den schlechten Einsatz von Zeiten (grammatikalisch gesehen) (sorry Axel lol)